Einstellungsprozess – so wichtig – so oft vernachlässigt
Es ist unumstritten, wie wichtig gute Mitarbeiter für den Erfolg einer Organisation sind. Umso unverständlicher ist, wie wenig Aufmerksamkeit in vielen Unternehmen auch heute noch der Auswahl und dem Gewinnen von Mitarbeitern gewidmet wird. Auch wenn es in der Literatur viele Muster von Einstellungsprozessen gibt, ist es sinnvoll eine an des eigene Unternehmen angepasste Version zu erarbeiten. Allein schon der Prozess des Erarbeitens erhöht das Bewusstsein für die einzelnen Schritte.
Es würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, detailliert darauf einzugehen, wie ein guter Einstellungsprozess erarbeitet und implementiert wird. Aber ich kann die Wichtigkeit eines durchdachten Vorgehens bei der Auswahl von Mitarbeitern nicht überbetonen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, in wie vielen Unternehmen dies nicht wirklich ernst genommen wird.
4 Prinzipien
Vier Prinzipien eines guten Einstellungsprozesses möchte ich aber kurz erwähnen:
- Klarheit über die Aufgabe
- Sorgfältig konzipierte und durchgeführte Interviews („structured interviews“) sowie Workshops
- Schriftlich formulierte Beurteilungskriterien, die an den realen Anforderungen der Aufgabe und des Teams ausgerichtet sind
- Immer mehrere Interviewer, im Idealfall alle mit Veto-Recht ausgestattet
1. Klarheit über die Aufgabe
Sich Klarheit über die Aufgabe zu verschaffen geht weit über das Schreiben einer traditionellen Stellenbeschreibung hinaus. Diese ist vermutlich aus administrativen Gründen in vielen Unternehmen immer noch notwendig, aber um Kandidaten wirklich beurteilen zu können ist es wichtiger, sich Klarheit zu verschaffen, welche konkreten Aufgaben in der unmittelbaren Zukunft und darüber hinaus von dem künftigen Mitarbeiter zu erledigen sind. Dazu müssen die gewünschten Resultate z.B. nach 3, 6 und 12 Monaten konkretisiert und schriftlich formuliert werden.
2. Strukturierte Interviews
Strukturierte Interviews sind Interviews, die sorgfältig ausgearbeitet sind und einem genauen Ablauf folgen. Dabei sollen die Fähigkeiten des Kandidaten zur Lösung der anstehenden Aufgaben sowie sein Potential für größere Herausforderungen ermittelt werden. Allen Kandidaten werden dabei die gleichen Fragen gestellt. Dabei sollten Sie beachten, dass das Führen von strukturierten Interviews ein wenig geübt werden muss, da Kandidaten nicht immer direkt die Fragen beantworten und hier in vielen Fällen gleichermaßen beharrlich und geschickt nachgehakt werden muss.
3. Beurteilungskriterien
Es scheint eigentlich selbstverständlich, dass Kriterien und Interviews/Workshops an den realen Anforderungen der Aufgabe ausgerichtet sein müssen. In der Praxis wird dies jedoch oft nicht konsequent durchgeführt, da dies Zeit und konzentriertes Nachdenken erfordert. Oft werden einfach schon vorhandene Stellenbeschreibungen unmodifiziert übernommen. Dies ist vor allem der Fall, wenn ein Nachfolger für einen ausscheidenden Mitarbeiter gesucht wird. Aber nur eine sorgfältige Klärung und (schriftliche) Formulierung der Auswahlkriterien für jede neue Stellenbesetzung macht diese transparent und schützt vor Fehlentscheidungen. Ist dies nicht der Fall, könnte z.B. einem besonders sympathischen Kandidat Vorzug vor einem fachlich besser geeigneten Bewerber gegeben werden, der die gegebenen Aufgaben effektiver gelöst hätte.
4. Einstellungsinterviews sind Teamarbeit
Meine Empfehlung ist, dass am Einstellungsprozess immer mehrere Mitarbeiter beteiligt werden und alle ein Veto-Recht haben: Dies kann die Einstellung eines neuen Mitarbeiters verzögern, aber es gibt viele gute Gründe dafür so vorzugehen.
- Zunächst entlastet es die Interviewer, da sie sich die Aufgaben des Fragestellens und des Beobachtens teilen können, was eine echte Entlastung darstellt und die Qualität der Beobachtungen deutlich steigert.
- Damit erhöht sich signifikant die Chance, ungeeignete Kandidaten auszufiltern, da jeder der Beteiligten aus dem jeweiligen Blickwinkel andere relevante Aspekte sieht.
- Werden Mitarbeiter in den Einstellungsprozess einbezogen, sammeln sie wertvolle Erfahrungen, die ihnen in zukünftigen (Führungs-)positionen nutzen werden
- Und letztlich erhöht es die Akzeptanz neuer Mitarbeiter im Team, da die Teammitglieder ein Mitspracherecht bei der Entscheidung hatten.
Dieser letzte Grundsatz, und insbesondere das Vetorecht aller Beteiligten, trifft nicht überall auf Zustimmung und in manchen Unternehmen wird er vielleicht nicht durchsetzbar sein. Nach meiner Erfahrung erhöht er aber die Chance, exzellente Mitarbeiter zu finden, um ein Vielfaches.